Aus dem Buch Pflastersteine

Haut

lieblicher tau im morgengrauen

 alles umhüllender sonnenstrahl

 einlass hast du mir gewährt

 in deine welt.

 

zu groß, zu rein

 ist der lauf deiner bergquelle

vor dem meine sehnsucht

 perle

 auf deiner

meiner haut zu sein,

banal wirkt

in den augen des auserlesenen.

Anima

mein kleiner engel

umhüllender duft

vertraute seele

 reziproke trauliche kraft!

 sanfte brise

 auf dem heißen kopfsteinpflaster.

Aus dem Buch MischMasch

Bergbauern
der bergbauer weise alles kennt von der natur

ein hartes leben weitab des konsumes führt

& viel zufriedener als der talbauer schlafen geht,

für den die masse die kasse ist, nur rasch profit.
der bergbauer frühmorgens mit dem hahn aufsteht

& bis spätabends seinem harten job nachgeht,

er seine tiere alle beim namen nennt

& jede blume und pflanze sehr gut kennt

& für alles dem Herrgott tagtäglich dankt

& respektvoll umgeht, mit dem bissl, das er hat.

 

ein stiller beobachter in den ruhigen stunden

nach getaner arbeit auf den steilen wiesen

sogar mit steigeisen an den füßen

beim mähen, um nicht abzurutschen.

 

die frauen auch die schweren heuplanen tragen

& ihre kinder noch einen langen schulweg haben

& alle mithelfen, dass es weitergeht

& und dass ihr hof auch weiterhin besteht.

 

das sind die bauern, die echten, denen es zu helfen gilt

& nicht die unternehmer im tale, die immer größer sind

& sogar nachts im stall das licht anlassen,

auf dass die kühe noch mehr fressen

& und noch mehr milch ablassen.

Aus dem Buch MischMasch

Bergwelt


so schön errötend die ersten sonnenstrahlen
frühmorgens auf die bergspitzen schauen
& später den blauen lauen

 

tag erleuchten

 

& paraglider ihre runden schwinge lüften
& im wald & ringsum sich alle küssen.

 

gesellt sich noch eine leichte brise dazu
fühlst du dich wie neugeboren, im nu
… lässt deine phantasie frei schweifen.

 

Liebe ist …
(…a.d …)
da saß er munter vor seinem glas bier
der sternkreisgeborene stier
in seiner neuen bleibe.

 

wenn du schon so weit weg bist von mir
ruf mich doch an! würd ich halt meinen …

 

ach was, entgegnete er
dein foto ist für mich völlig ausreichend!


Leseprobe aus 'Tiergeschichten aus Südtirol'

 

Hannes, der Adler

 

Hannes vertrat jene Spezies von Greifvögeln, die schon seit der Antike ein Symbol für Macht und Sieg waren. Er zählte zu den größten Vertretern seiner Gattung. Seine Flügelspannweite erreichte mit elf Handschwingen, siebzehn Armschwingen und zwölf Steuerfedern zwei Meter, sein Körper einen Meter.

Die Adler waren in Europa anfangs noch überall bis in die Ebenen hinunter anzutreffen, dann nur mehr vereinzelt im Gebirge, da sie von den Menschen fast ausgerottet worden waren. Sie galten nämlich als Jagdkonkurrenten und Feinde der Nutztiere. Nun genossen Hannes und die anderen Adler im Alpenraum den Status von unter Naturschutz stehenden Tieren, die nicht bejagd werden durften.

Hannes war der König der Lüfte, der Südtiroler Berge und Wappentier des Landes, nach dem Motto: ‚Dem Land Tirol die Treue’. Sein Abbild schmückt nach wie vor viele Ordenszeichen und Münzprägungen.

Hannes und sein Weibchen Loisa bauten mehrere, für Menschen unzugängliche Horste, die sie abwechselnd benützten. Diesmal war es das fast zwei Meter lange und einen Meter hohe windgeschützte ovale Nest vom Vorjahr, das sich unter einem Überhang befand und mit dickeren Ästen, Büscheln und Zweigen ausgestattet war. Jedes Jahr wurde der ausgesuchte Horst erweitert und repariert.

Ende März legte Loisa zwei Eier im Abstand von drei Tagen, brütete sie 43 Tage lang aus, wurde dabei von Hannes mit Nahrung versorgt, der nun auch oberhalb der Waldgrenze auf die Jagd ging, da es inzwischen wärmer geworden war. Trotz seiner Größe war er im Flug sehr schnell und wendig, konnte einen Hasen schon aus einem Kilometer Entfernung erspähen.

Bald schlüpften die beiden kleinen weißgefiederten Adler. Futter gab es glücklicherweise genug. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte das größere das kleinere Adlerjunge aus dem Nest geworfen, getötet, oder es wäre verhungert.

Hannes schlug mit seinen kräftigen Krallen kleinere und größere Tiere, wie Steinbockkitze, Alpenmurmeltiere, junge Gämsen, Schneehasen, Schneehühner, Füchse, Hasen, Reptilien, Rehkitze, war sogar für Katzen, Hühner, Schafe und Ziegen gefährlich. Er konnte seine bis zu zehn Kilo schwere Beute bis zum Horst transportieren.

Loisa zerteilte anfangs die Beute für ihre Jungen, bis diese im Alter von eineinhalb Monaten selbst dazu imstande waren. Einen Monat darauf flogen die kleinen Adler schon für kürzere Strecken in der Nähe des Nestes, blieben noch eine Weile bei den Eltern, verließen sie schließlich und suchten sich ein anderes großes Revier.

Der Winter nahte. Hannes und Loisa mussten weiter hinunterfliegen, um Beute oder Aas zu finden. Der Winter war für alle Tiere des Waldes beschwerlich, so geschah es oft, dass es das eine oder andere nicht mehr packte und starb.

Eines Tages flog Loisa, die sehr hungrig war, zu weit ins Tal hinunter, bis in die Nähe eines Hofes, in dem ein Wilderer lebte. Kaum dass dieser sie sah, nahm er sofort sein Gewehr, zielte und schoss auf sie. Hannes zuckte erschrocken zusammen, wollte Loisa helfen, doch er kam zu spät. Mit letzter Kraft, schwerverletzt, war sie noch einige Meter weitergeflogen, war dann abgestürzt, lag jetzt tot und blutüberströmt vor ihm da.

Hannes war entsetzt, todunglücklich und untröstlich!

 

Als der Wilderer mit seinem Hund näher kam, um seine erlegte Beute zu holen, musste Hannes schnell wegfliegen, denn dieser hätte auch sofort auf ihn geschossen. Aus sicherer Entfernung beobachtete er den Wilderer, wie er die tote Loisa aufhob, sie mit ins Haus nahm. Hannes flog näher ran. Schon im Gang des Hauses waren zwei große ausgestopfte Tierköpfe mit Geweih an den Wänden zu sehen, an denen sich der Wilderer mit Mühe vorbeizwängte. Nachdem er Loisa für einige Stunden eingefroren hatte, nahm er sie auf dem Küchentisch mithilfe eines Skalpells aus und häutete sie. Hannes erschauderte, als er durch das Küchenfenster sah, was mit seinem armen Weibchen gemacht wurde.

Dann nahm der Wilderer alle Weichteile aus Loisa’s Körper heraus, bildete ihren Körper mit Holzwolle und Draht nach, umwickelte daraufhin alles fest mit Garn. Nachher behandelte er ihre Haut und das Gefieder mit einem Giftbad aus Chemikalien gegen den Insektenfraß, stülpte ihre Haut über die fertige Figur und vernähte dann alles. Zum Schluss füllte er noch die Augenhöhlen mit Ton aus, setzte Glasaugen ein, stellte schließlich die ausgestopfte Loisa zu seiner großen Tiersammlung in die Stube hinein. Beim erlegten und ausgestopften Bären vom vorigen Jahr, um den ihn all seine Freunde beneideten und der in der Mitte der Stube stand, hatte er Polyurethanschaum anstatt Holzwolle verwendet.

Der Wilderer dachte von sich selbst, er sei der beste Künstler und der schlaueste und gescheiteste Wilderer auf Erden.

Hannes war so bedrückt! So viele Jahre hatte er mit seinem Weibchen zusammengelebt, war so glücklich mit ihr gewesen! Er beschloss, jeden Tag wenigstens einmal an jene Stelle hinzufliegen, wo sie gestorben war.

Das ging eine zeitlang gut. Doch eines Tages sah ihn der Wilderer, der an jenem Tag betrunken war. Sofort nahm er sein Gewehr zur Hand und schoss darauflos. Hannes bekam einen Streifschuss ab, der eine grabenförmige Wunde in seinem Körper aufriss, ohne ihn zu töten. Aber Hannes konnte nicht mehr fliegen.

Die neidischen Freunde des Wilderers hatten ihn inzwischen den zuständigen Behörden gemeldet, die gleich zur Stelle waren, als sie die Schüsse hörten. Die Carabinieri nahmen den Wilderer sofort fest und brachten ihn ins Gefängnis.

Der verletzte Hannes wurde in ein Vogelzentrum für Vogelfauna gebracht, das sich in der Nähe eines Schlosses befand, bis er wieder gesund war und anschließend in seiner Heimat freigelassen.

Hannes trauerte sein ganzes Leben um sein Weibchen, kehrte jeden Tag an jene Stelle zurück, wo sie gestorben war. Er lebte von nun an bis an sein Lebensende als Eremit in seinen geliebten Südtiroler Bergen.

Zum Zeichen der Solidarität und Anteilnahme ließen sich die meisten Frauen unter den Menschen ihre Haare daraufhin Rot färben, da das Wappentier Südtirols ein roter Adler ist.

 

Gimpel Erich

 

Es war ein eisigkalter Winter mit vielen Tagen, an denen die Temperatur durchschnittlich minus 20 Grad betrug.

Gimpel Erich fror sehr. Er wollte ein Weibchen finden, das ihn im Winter wärmte. Die Weibchen waren aber Furien und er wusste nicht, wie er sich richtig verhalten musste. Denn wenn er versuchte, einem Weibchen den Hof zu machen, plüsterte dieses das Bauchgefieder auf, riss den Schnabel weit auf und rief „Chuäh“, um ihn sogleich aufs ärgste anzugreifen. Ja es ging sogar soweit, dass wenn es ihm nicht gelang, rechtzeitig wegzufliegen, er Verletzungen oder gar den Tod riskierte, so aggressiv waren sie!

Erich hatte es satt! Alle seine Artgenossen hatten schon ein zahmes Weibchen gefunden, nur er nicht! Böse Zungen behaupteten, dass den Tirolern erst mit vierzig der Knopf aufgeht, wie dem Bauern von nebenan, aber Gimpel Erich war ja kein Mensch, sondern ein fescher und fideler Junggeselle im besten Alter! Dumm für die Weibchen, die das nicht zu schätzen wussten, dachte er.

Die meiste Zeit verbrachte Erich im Geäst eines Baumes, grübelte vor sich hin und beobachtete, was um ihn geschah. So sah er eines Nachmittags zum Beispiel den wohlhabenden geizigen Bauern, wie er mit seinem dampfenden Häufchen morgens aus dem Stall kam, zum Misthaufen hinunterging, um es dort loszuwerden, da er der Meinung war, dass eine Toilette zu viel kostete. Oder er sah die Bäuerin, die Holz unter dem Haus holte, später in den Hühnerstall ging, um den Hühnern Futter zu bringen und anschließend beim Schlachten der ältesten Henne aufgeregt schrie, um sich selbst zu dieser Tat zu ermutigen.

,„Du fauler Dompfaff, du!“, rief ihm plötzlich ein Gimpel zu. „Tust den ganzen Tag nichts, außer sitzen und futtern. Gib dir endlich einen Ruck und gründe eine Familie, wie wir es getan haben! Glaubst du, die Weibchen fallen vom Himmel herunter?“

„Das sicher nicht, aber ich mache dauernd alles falsch. Kannst du mir vielleicht einen Rat geben, wie ich mich richtig verhalte, wenn mir ein Weibchen gefällt?“, fragte Erich.

„Tut mir Leid, mein lieber Freund, aber das musst du schon selber herausfinden! Mir hat auch niemand geholfen, und ich war nicht einmal mehr der jüngste! Also – Hals- und Beinbruch! Mach’s gut!“, rief der Gimpel höhnisch.

Erich war guten Willens, versuchte es in den Tagen darauf mit seinem Lockruf „djü – diü, djü – diü“. Endlich war sein leiser Gesang wirkungsvoll, denn ein Weibchen setzte sich auf den Ast neben ihm hin. Erich gab gleich ein erregtes „dü-dü, dü-dü“ von sich und zuckte mit dem Schwanz. Ich werde dich sogleich in den Garten Eden entführen, dachte er selbstsicher. Schade, dass er dem Weibchen keine Samen, Knospen, Beeren oder Insekten anzubieten hatte, aber was machte das schon, er war ja ein Nonplusultra! Der beste und schönste Gimpel den es gab!

Diesmal ließ er sich nicht von den aggressiven Gebärden des Weibchens verscheuchen, sondern plüsterte genauso wie dieses sein Bauchgefieder auf. Wenn ich ihr nicht von vorne gefalle, so sicher von hinten, dachte er verschmitzt. Erich nahm einen Halm in den Schnabel und verkürzte den Abstand zum Weibchen rücklings, mit zu ihr hingedrehtem Schwanz. Das wiederholte er einige Male. Endlich gab das Weibchen die Feindseligkeit auf und nahm geschmeichelt den Halm an. Es gelang ihm, ihren Schnabel zum Kuss zu berühren. Da er sich aber doch über ihre Reaktion nicht hundertprozentig sicher war, hüpfte er schnell zur Seite. Als Männchen weiß man nie, wie man bei Weibchen dran ist, dachte er. Sicher ist sicher!

Doch das Weibchen führte dasselbe Ritual wie er aus, flog dann kurz weg, kam zurück, setzte sich wieder zu Erich hin, um mit ihm zu schnäbeln.

Oh, wie ihm das gefiel! Wie wohlig warm es ihm dabei wurde! Jetzt hab ich mein Ziel erreicht!, dachte er, ich werde ab jetzt nie mehr im Winter frieren! Zudem kann mir niemand mehr was nachsagen!

Das Weibchen bettelte ihn um Futter, duckte sich mit zitternden Flügeln. Er richtete sich auf, fütterte sie zärtlich. Sie bedankte sich daraufhin mit einem leisen „die-die-die“, duckte sich noch einmal mit pendelnden Körperbewegungen.

Kurz darauf begannen sie mit dem Nestbau in einer dichten Fichte, die ihm sicher vorkam. Sie suchten feine Reiser, Zweige, Wurzeln, Halme und Moos, bis das runde Nest nach fünf Tagen fertig war. Nach zwei Wochen schlüpften schon ihre vier kleinen nackten und blinden Gimpelkinder aus den Eiern.

„Ha!“ rief Erich eines Tages dem Gimpel zu, der ihm nicht geholfen hatte. „Siehst du, bei mir hat es auch geklappt! Du kannst mir nichts mehr vorhalten! Du dachtest wohl, du seiest der Gescheiteste!“

„Aber nein!“, antwortete der Gimpel. „So hab ich es nicht gemeint! Es freut mich sehr, dass auch du jetzt den Sinn des Lebens verstanden hast, Erich! Ich wünsche euch und euren Kleinen viel Glück in eurem weiteren Leben! Sei immer fein zu deinem Weibchen, dann wird sie es auch zu dir sein!“

Erich legte nach und nach seinen Egoismus und Hochmut ab, hielt sich an den Rat des alten Gimpels. Er schätzte und liebte sein Weibchen immer mehr, mit jedem Tag der verging, bis an sein Lebensende.

 

Leseprobe aus Winkelwald & Dolomiten Märchen

Zaubermeister Friedolin & Alpfee Erna

Es war einmal ein Zaubermeister, der mit seiner Frau hoch oben auf dem Berg in einem kleinen Steinhäuschen wohnte. Er war freundlich, hochgewachsen, und vom Charakter her eher ruhig. Genauso wie er, hatte auch seine Frau einen aufrichtigen lieben Gesichtsausdruck, und ging auf alle Menschen offen zu.

Einmal in der Woche marschierte der Zaubermeister zum Wochenmarkt ins Dorf, um für seine Mixturen Inhaltsstoffe und Kräuter aus dem Ausland zu kaufen. Damals war es Brauch, wenn jemand zum Beispiel Bauchschmerzen hatte, ihm einen Schmetterling auf den Bauchnabel zu setzen, oder bei Magenschmerzen, eine Knoblauchzehe auf den Nabel zu legen.

Zaubermeister Friedolin hatte eine besondere Gabe: Er brauchte nur jemandem für eine gewisse Weile tief in die Augen zu schauen, und schon wusste er nach wenigen Minuten genau, an was der Patient litt. Seine Frau, die liebe Alpfee, wusste daraufhin, welche gesunden Alpkräuter zu verschreiben waren, die von den Patienten eingenommen werden mussten.

Die beiden waren zusammen ein Supergespann, und viele Menschen kamen aus allen Teilen der Welt, um sich von ihnen beraten zu lassen und geheilt zu werden.

Der Erfolg jedoch störte die Schlernhexen sehr! Sie waren nämlich der Meinung, dass nur sie, die Salingen (selige Weiblein), Menschen und Tiere heilen konnten! Sie wollten sich rächen! So ließen sie das Gerücht herumgehen, dass nur bei ihnen auf dem Schlern ein wundersames Kraut wachsen würde, das es auf der Welt sonst nirgends gab.

Als Zaubermeister Friedolin und die Alpfee Erna davon hörten, wurden sie neugierig und beschlossen, den Schlernhexen einen Besuch abzustatten. Die Schlernhexen allerdings machten ihren Weg besonders beschwerlich, riefen plötzliche furchtbar starke Unwetter herbei, die den Himmel verdunkelten, ließen Felsbrocken den Berg herunterrollen, und je intensiver sie auf der Bergspitze um das Feuer herumtanzten, umso stärker wurde der Sturm! Zaubermeister Friedolin und Alpfee Erna ließen sich jedoch nicht davon aufhalten und kamen schlussendlich müde, aber heil an ihrem Ziel an.

Die Schlernhexen bereiteten ihnen nicht gerade einen schönen Empfang! Friedolin und Erna wurden zunächst ausgelacht, dann auf ihre Besen geladen für eine Höllenfahrt mit zahlreichen Drehungen und Kapriolen in der Luft, bis endlich die gute Schlernhexe Martha eintraf und die anderen Hexen zur Vernunft brachte, gemeinsam mit den Ganes und Salvans aus den ladinischen Tälern, die schnell herbeigeflogen waren.

Friedolin hatte die Besenfahrt eigentlich gut gefallen, trotzdem er schon ein gewisses Alter hatte, und auch seiner Frau. Nun galt es jedoch, miteinander zu sprechen, Informationen über das unbekannte Kraut einzuholen.

„Tolle Fahrt, Schlernhexen, vielen Dank! Es hat uns wirklich großen Spaß gemacht! Der Sturm etwas weniger … naja! Wir sind euch besuchen gekommen, weil wir mehr über das uns unbekannte Kraut erfahren möchten, das angeblich Wunder vollbringen soll?“

Die Schlernhexen lachten und antworteten gleichzeitig im Chor:

„Das war lustig, dich und deine Frau reinzulegen, Friedolin! Wir gestatten niemandem, sich über unsere altbewährte Zauberkunst zu stellen, und haben das Kraut bloß erfunden! Wir wollten euch herlocken, um euch aus der Welt zu schaffen!“

Schlernhexe Martha meldete sich gleich entsetzt zu Wort und sagte:

„Aber nein, liebe Kolleginnen! Mit euren Bosheiten ist schon das Edelweiß, das in allen Pastellfarben blühte, verbleicht! Die Dolomiten sind unser aller Reich, unsere Aufgabe ist es, sie zu schützen und ihre wertvollen Schätze zu erhalten, für unser Wohl, aber auch für Mensch und Tier in diesem Reich!“

„Und für die Kinder!“, riefen die Ganes und Salvans gleichzeitig.

 

Es kündigten sich neue Gäste an. Tanna war von Cortina gekommen, andere Hexen und Feen von den Bellunesischen, Friaulischen und Tiroler Dolomiten. Laut ging es zu, bei der Versammlung, an der auch die Krähen teilnahmen, denn niemand wollte den anderen aussprechen lassen und unterbrach dauernd jedes Gespräch. Friedolin und Erna beschlossen, sich zu verabschieden. Etwas enttäuscht machten sie sich auf den Nachhauseweg, nicht aber ohne vorher noch einige frische Kräuter gesammelt zu haben. Schlernhexe Martha grüßte sie herzlich und wünschte ihnen alles Gute.

Daheim warteten schon Menschenscharen auf Friedolin und Erna, alle brauchten ihre Hilfe. Der erste Patient war eine alte Frau.

„Lieber Zaubermeister Friedolin, bitte hilf mir! Ich habe solche Schmerzen beim Gehen, und mein Körper ist so schwer, als müsste ich jeden Tag einen gigantischen Stein mit mir herumtragen!“

„Liebe Gerda, weißt du, die Schwere, die du spürst, hat auch ein wenig mit dem Alter zu tun, aber gegen deine Schmerzen müssen wir unbedingt etwas unternehmen! Ich habe etwas Besonderes für dich hier!“

Friedolin holte gleich eine seiner Mixturen und trug Gerda auf, die Wundersalbe jeden Abend aufzutragen und sich viel an der frischen Luft zu bewegen, jeden Tag spazieren zu gehen, allein oder mit ihren Enkeln, das sei auch für ihr Herz und ihre Seele gut.

„Weißt du, Friedolin, ich war schon bei den Schlernhexen oben. Sie klopften mit ihren Zauberstäben mehrmals auf mein Bein, sprachen Zauberworte dabei, aber seitdem ist alles nur noch schlimmer geworden!“

„Jetzt bist du hier“, sagte Friedolin, „hab nur Vertrauen, du wirst sehen, dass es dir in einer Woche schon viel besser geht!“

 Der nächste Patient war der Dorfpfarrer. Friedolin schaute ihm tief in die Augen und sagte:

„Lieber Pfarrer, es sieht nicht gerade gut aus! Du hast viele Jahre zu viel und fett gegessen, deshalb hast du all diese Beschwerden! Ich setze dich sofort auf Diät! Ab heute nur mehr Vollkorngetreide, Gemüse und Obst!“

„Aber das schmeckt mir nicht!“, entgegnete der Pfarrer mürrisch.

„Ich mag jeden Tag viel Fleisch und Braten auf meinem Teller haben, und leckere süße Nachspeisen!“

„Na, tu was du willst! Aber glaube mir, wenn du so weitermachst, lebst du nicht mehr lange! Und wenn du die Gesundheit verlierst, hast du alles verloren!“, entgegnete Friedolin.

Endlich war der Arbeitstag fertig und Friedolin und Erna gönnten sich eine Pause, als plötzlich eine Turteltaube beim Fenster hereinflog mit einer Nachricht:

Lieber Friedolin, liebe Erna!

Wir, die Schlernhexen und die anderen Gäste von der Versammlung haben beschlossen, ein Komitee zu gründen, um all unser Kräuterwissen zusammenzutragen und uns gegenseitig auszutauschen. Wir würden uns freuen, wenn ihr auch dabei sein würdet!

Es grüßt euch herzlich die Schlernhexe Martha.

 

Natürlich werden wir auch dabei sein, dachte Friedolin! Er schrieb rasch seine Antwort auf den Zettel und schon flog die Turteltaube damit fort.

Inzwischen hatten sich aber auch die bösen Zauberer der Dolomiten versammelt.

„Wir müssen das Komitee mit allen Mitteln verhindern!“, sagte der älteste Zauberer. „Habt ihr schon davon gehört?“

„Ja!“, hieß es, „wir sind alle mit dir einverstanden! Was sollen wir tun?“

„Lasst es viel regnen und schneien, lasst von den Bergen viele Muren und Lawinen abgehen! Erschreckt die Menschen und Tiere, damit sie endlich wegziehen! Öde und verlassen soll es hier überall aussehen! Und sorgt dafür, dass alle Bergkräuter von starken Stürmen weggefegt werden! In einer Woche treffen wir uns dann wieder!“

 

Eine Woche lang wüteten im Land die schwersten Gewitter und Windstürme, es gab viele Muren und Lawinenabgänge mit großen Schäden für Mensch und Tier. Nicht einmal die Strohkreuze an den Haus- und Stalltüren hatten geholfen, das Böse abzuwenden! Eine ganze Woche ohne Sonne, das war auch für die Kräuter und die Laune der Menschen schlecht!

„Wenn das nicht aufhört, werden wir von hier wegziehen müssen!“, sagte Bauer Engelbert zu seiner Frau bestürzt. Und so wie er, dachten viele!

Der älteste Zauberer war mit der Arbeit seiner Zauberkollegen zufrieden, sagte aber:

„Es ist noch nicht genug! Eine weitere Woche muss folgen! Das Ziel ist noch nicht erreicht!“

 

Die Schlernhexen wurden indes stutzig! Bis ihnen ein Licht aufging … Es konnten nur die bösen Zauberer der Dolomiten hinter allem stecken!

„Denen werden wir es zeigen!“, schrien sie. „Unser Kampfrad ist rund, das ihrige dreieckig und an den Ecken verwundbar! Auf, ihr Hexen! Startbereit eure Besen, Zauberstäbe und Zaubersprüche!“

 

Im Nu setzten sie das runde Kampfrad in Gang und flogen über alle Dolomiten hinweg. Sie gewannen den Kampf, trieben die bösen Zauberer für immer fort! Bevor diese aber verschwanden, verwandelten sie einige Berge der Dolomiten noch in spitze Dreiecke, als Zeichen, dass sie einmal hier gewesen waren.

Die Schlernhexe Martha dachte zufrieden, dass das Gute immer über das Böse siegt! Viele Menschen hängen seitdem die Schlernhexen als Glücksbringerfiguren daheim in der Küche über dem Tisch auf.