n.c.k. - in memoriam

n. c. kaser (Norbert Conrad Kaser) wurde am 19. April 1947 in Brixen (Südtirol / Italien) als Sohn von Paula Thurn und Franz Kaser geboren und wuchs in Bruneck unter ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater arbeitete als Pförtner in der Tuchfabrik Moessmer. Ab 1961 besuchte er das Gymnasium in Bruneck, bestand das Abitur jedoch erst 1969 im dritten Anlauf. In der Zwischenzeit arbeitete er als Mittelschullehrer in Laas im Vinschgau und verfasste erste Gedichte. „laas für marijke“ gilt als sein Einstieg in die Literatur. Im September 1968 trat Kaser ins Kapuzinerkloster Bruneck ein, das er im April des folgenden Jahres wieder verließ. Bei der Studientagung der Südtiroler Hochschülerschaft in Brixen erregte er großes Aufsehen, als er mit der Südtiroler Vorkriegsliteratur hart ins Gericht ging. "99% unserer Südtiroler Literaten wären am besten nie geboren, meinetwegen können sie noch heute ins heimatliche Gras beißen, um nicht weiteres Unheil anzurichten!", er rief auch dazu auf, den Tiroler Adler "wie einen Gigger" zu rupfen". Ein Sturm der Entrüstung in allen Medien war die Folge. Im Oktober 1969 begann er das Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien. 1970 reiste er für zwei Monate nach Norwegen, wo er als Gemeindearbeiter tätig war. Nach dem Abbruch des Studiums und der Rückkehr aus Wien Anfang März 1971 übernahm er verschiedene Lehrervertretungen in Bergschulen des Pustertals. In den Jahren 1972-73 unternahm er verschiedene Reisen, unter anderem nach Barcelona und Venedig. Der hohe Alkoholkonsum führte zu schweren Gesundheitsschäden, die mehrere Aufenthalte in Krankenhäusern und Nervenheilanstalten zur Folge hatten. 1976 trat er der KPI (Kommunistische Partei Italiens) bei und trat zugleich aus der Katholischen Kirche aus. Reisen wechselten sich mit Krankenhausaufenthalten und einem Kuraufenthalt in der DDR ab. Das Erleben des Staunenswerten verbindet den Südtiroler Lyriker Norbert C. Kaser mit suggestiver Kraft und lakonischem Klang. Aus seinen Gedichten sprechen Zorn, Verletzbarkeit, Hohn und trotzige Solidarität mit allen Geschundenen.
Am 21. August 1978 starb n. c. kaser an einem Lungenödem, als Folge fortgeschrittener Leberzirrhose und Bauchwassersucht.
n. c. kaser war nicht nur eine außergewöhnliche, zu Lebzeiten sträflich unterschätzte literarische Begabung, sondern zugleich auch eine schillernde, facettenreiche Persönlichkeit: Dichter und Rebelle, Kapuzinermönch und Kommunist, Volksschullehrer, der kleine Prosaminiaturen für „seine Kinder“ verfasste, und Trinker, der seinen Rotwein mit Gedichten bezahlte. Seine Verse, die sich durch eine unpathetische lakonische Sprache (durchgehend in Kleinschrift) und eine seziererisch genaue Beobachtungsgabe auszeichnen, spiegeln sein Wesen, die Brüche, Wendungen und Abgründe seines Lebens wieder, seine Verletzlichkeit ebenso wie seine Auflehnung gegen das konservative kulturelle und gesellschaftliche Klima seiner Zeit. Kasers Werk zeichnet sich durch eine originelle Sprache in konsequenter Kleinschreibung und eine seziererisch genaue Beobachtungsgabe aus. Seine kritische, unbequeme Haltung veschaffte dem Autor in der Südtiroler Gesellschaft der 60er- und 70er-Jahre zahlreiche Feinde. Er lehnte sich gegen politische Missstände ebenso auf wie gegen Engstirnigkeit und Intoleranz seiner Mitmenschen.

drohung

ob faust
oder erhobener zeigefinger 
die geste bleibt gleich 
solange du die hand 
nicht auftust

laß fallen
die drohung
den inhalt deiner hand

leere haende sind 
        voll guter dinge





lied der einfallslosigkeit

geliebtes land 
aus kuhglocken gebaut & 
gasthausrauferei 

kind des wetters 
mutter der trauben 

schnaufen der winde 
alpenglut 
an gruenen fluessen 
& zu fueßen 
             ein erschlagner wurm 
traute gassen 
buergersinn stolzer bauernmut 
dem welschen feind & schlechter 
als der 

kind des wetters 
mutter der trauben 

innige doerfer 
blauer schurz & stiere 
autonom 
heiden im rock der schuetzen 
feuerwehr   musik 
hackbretter zithern 
jodeln kann keiner 

dem herzen des gottes verschworen 

& ueber allem schwebt der henngeier

der himmel schreits
aus allen falten
& die gestalten
um mich her
sind wie ein mantel
& mich halten
& nicht mehr

jerusalem du bist zerfallen
& das gueldene rom
gefallen ist der habicht
der wiegt nicht schwer

wen soll ich noch
kuessen
ohne tropfen salz aus
meinen augen

270975 (fuer erika prader)

stegener markt ausgabe 77


weinen will ich weinen um den groeßten markt tirols.
leute zuhauf menschen auch ... nix weiter.
der markt aber schreit nicht mehr.
kinderaugen verlaufen sich nicht am tuerkischen honig.
automatisierte schausteller.
wo? wo die schwerversehrten bettler
die gaukler schwindler feuerfresser
die heiligenbildchen wundermittel
die tiger panther rotarschaffen
die dickste ziehorglerin der welt
koeschtnbrater bauernfaenger riesenschlange
steilwandfahrer tanzbaer akrobat


fade sind die waren ohne salz daß sich die plastikblumen schaemten.
die tupfer fehlen im gewog gewurle & geschehen.
doch ueber allem schweben vom bierzelt aus die schwaden massenhaft
massakrieter huehner dem dorfe stegen zu.
weinen will ich weinen & find das schneuztuchmanndl nimmer
mit seinem song:


eins fiers moidile nannile joggile seppile tresile
moidile nannile joggile seppile
moidile nannile joggile
moidile nannile
moidile


plaerren kannt'i!

281077

innsbruck

die hauptstadt steht zu diensten & der steinerne bretterzaun der nordkette z
ermalmt jeden weitern horizont. rauchiges kcha in der kehle unflaetige gro
bheit auf der zunge & gamsbaertige praepotenz hinterm hosenplatz in den
spitzen schuhen & den geschmalzten haaren. die gastlichkeit ist seit jahrhu
nderten die gleiche: olympische preise & kchredit kcheinen auch wenn er des
kchaisers ist was max so veraergert hat daß er sein grab leer hinter sich ließ.
dafuer in einer nacht- & nebelaktion gefladerte knochen des großen suedti
roler guerilleros in der heiligen kirche. trauerflor an seinem wimpel. trauer
um suedtirol allenthalben an waende geschmierte freiheit wohl eher trauer
um reichtum & wein … freiheit den geknechteten welche freiheit: schwaerze
in schwaerze getunkt? in schwarzen rinnen fließen geld & kultur den unter
entwickelten bruedern zu. in den beiden bordellen vergessen dafuer unsre m
usikanten & schuetzen insignien & instrumente nach dem requiem fuers ge
spaltne land.

der inn gruent. das rundgemaelde ist rund. die tram rotweiß. das essen selten
gut. der kaffee scharfes waschwasser. guelden ist ein dach & ueber nacht w
erden die gartenstuehle an die kette gelegt. der buergermeister bleibt sich
gleich. die unterwelt hat ihre dimension & hoetting unverdienterweis ein
schlechten klang. unverhohlen ist der haß gegen fremde dreckarbeiter. war
mer wind macht lahm. mit schiern kommen die innspruggerlen zur welt &
kchraehend. kurioses ambras oder hofburg & der kaiserin ihre 16 kinder. fer
dinandeum als waers ein stueck von uns & nicht weit davon an holzgeistern
das gewand des alten tyrol & ratzekahle museumsstuben. philippine ach ph
ilippine in dieser rauheit hat Deine liebe geblueht. aber schließlich warst Du
bankhaustochter & silbern ist Deine todesstatt.

persoenliches:
ein onkel von mir liegt begraben ein vetter dabei – zu jung
literarisch das erstemal gelobt bin ich worden bei den abge
wuergten jugendkulturwochen das erstemal haerters zeug ge-
raucht hubschrauber geflogen .. so stuenden die dinge. in der
lizum ein schah mit warmen fueßen – ich mit erfrornen –
die englische liesl auf dem rennweg brrr so stuenden die dinge
ungeliebter steinhaufen nur offen den winden flachshaariger
rupfener teurer in jedem sinne. ich muß Dich lassen.

marmor

den laasern

 

weißt du was schnee ist?

frischgefallener?

weißt du was blüten sind

ebenerblühte?

dann weißt du noch nichts

 

kuwait und new york

wissen marmor zu schätzen

 

doch heute liegt er in bergen

vor dem anschlußgleis

arbeiter nagen an den fingernägeln

ihre kinder auch

ihre frauen

wissen nicht was kochen

 

der bruch ist wie ein grab -

mahnmal der wirtschaft

 

in die ausgehauene höhle

könnte man nur noch christus legen

nur kein geld

und kein morgen.

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